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DER AUFBAU DER NEUEN ORDNUNG N. Goldmann |
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Nachum Goldmann 1915.
So besteht denn die erste Aufgabe unserer Zeit in der Zerstörung. Alle sozialen Schichtungen und gesellschaftlichen Formungen, die das alte System geschaffen hat, müssen vernichtet, die einzelnen Menschen müssen aus ihren angestammten Milieus herausgerissen werden; keine Tradition darf mehr als heilig gelten; das Alter gilt nur als Zeichen der Krankheit; die Parole heißt: was war, muß weg. Die Kräfte, die diese negative Aufgabe unserer Zeit ausführen, sind: auf dem wirtschaftlich-sozialen Gebiete der Kapitalismus, auf dem politisch-geistigen die Demokratie. Wieviel sie bereits geleistet haben, wissen wir alle; aber wir wissen auch, daß ihr Werk noch nicht ganz vollbracht ist. Noch kämpft der Kapitalismus gegen die Formen der alten, traditionellen Wirtschaft, noch führt die Demokratie einen heißen Kampf gegen alle Kräfte der Reaktion. Vollenden wird das Werk der militaristische Geist. Sein Uniformierungsprinzip wird die negative Aufgabe der Zeit restlos durchführen: wenn erst alle Glieder unseres Kulturkreises als Soldaten unseres Kultursystems uniformiert sind, ist diese eine Aufgabe gelöst. Dann aber erst erhebt sich die andere, größere und schwierigere Aufgabe: der Aufbau der neuen Ordnung. Die Glieder, die nun aus ihren alten Verwurzelungen und Schichtungen herausgerissen sind und ungeordnet, anarchisch herumliegen, müssen zu neuen Formungen und Kategorien geschlossen werden; wurden bei der Lösung der ersten Aufgabe alle zunächst einmal für gleich erklärt, so müssen die Menschen nun wieder geteilt und differenziert: ein neues pyramidales, hierarchisches System muß errichtet werden. Auch diese Aufgabe versuchte der Kapitalismus zu lösen; wir wissen, mit welchem Mißgeschick. Er nahm die fundamentale Trennung in Herrschende und Beherrschte nach falschen Gesichtspunkten vor: nach denjenigen des Reichtums, der kapitalistischen Macht. Auch diese zweite Aufgabe wird nur der militaristische Geist lösen können kraft seines anderen großen Leitprinzips der Subordination. Er wird den wahren aristokratischen Grundsatz zur Herrschaft bringen: Herrschen soll, wer herrschen kann.
Der Geist des Militarismus, Stuttgart 1915, Seite 38
Nachum Goldmann
Nachum Goldmann, König der Diaspora-Juden, erster Präsident des Jüdischen Weltkongresses schrieb 1915:
Der individualistische Geist hatte England innerlich an den Rand des Abgrunds gebracht. Eine Reaktion mußte kommen. Sie kam: ein neuer Geist begann sich in England Bahn zu brechen. Seine Vorkämpfer waren die Theoretiker des Chartismus, waren die christlichen Sozialisten, waren die Führer der Genossenschaftsbewegung, ... vor allem Carlyle. Die Gedankenrichtung, die sie vertraten, war die soziale, historische, organische; was dasselbe bedeutet: die militaristische, die deutsche. .... das beherrschende Erlebnis im Leben dieses großen Schotten (Carlyle) war die innere Überwindung der individualistischen französischen Aufklärungsphilosophie, der atomistischen englischen Nationalökonomie und die Entdeckung der organischen, synthetischen deutschen Philosophie. Carlyle war begeisterter Bewunderer deutschen Wesens, glühender Anhänger der Ideen der deutschen Philosophie. Alle Männer und Richtungen im England des 19. Jahrhunderts, die von schöpferischer Bedeutung sind, stehen unter dem Einfluß Carlyles, unter dem Einfluß deutschen Geistes..... Wäre dieser Prozeß friedlich weitergegangen, er hätte schließlich mit der völligen Überwindung des alten individualistischen Geistes geendet; die Vertreter dieses Geistes spürten es sehr wohl. Als sie friedlich ihre Position nicht mehr wahren konnten, entfesselten sie den Krieg, der Deutschland und den militärischen Geist vernichten sollte. ... Die Parole: Nieder mit dem Militarismus! verkörpert in diesem Kriege das rückschrittliche Element, ein Sieg der Parole wäre ein Sieg des 17. und 18. Jahrhunderts über das 19. und 20. Weil Deutschland das fortschrittliche Prinzip verkörpert, ist es des Sieges sicher. Deutschland wird siegen, und die Welt wird vom militaristischen Geiste beherrscht werden. Wer Lust hat, mag es bedauern und Klagelieder anstimmen; es hindern zu wollen, ist eine Torheit und ein Verbrechen gegen den Genius der Geschichte, das begangen zu haben England und Frankreich noch schwer werden büßen müssen. (Nachum Goldmann, Der Geist des Militarismus, Deutsche Verlagsantalt Stuttgart-Berlin, 1915, S. 28 ff.)
Der Geist des Militarismus, (Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart-Berlin, 1915, S. 8) aussprach, die besten Köpfe Englands und Frankreichs würden die Vernichtung Deutschlands als im Interesse der Kultur notwendig also als das eigentliche Kriegsziel der Entente begründen. Und er sprach von einem Vernichtungskrieg gegen Deutschland (S. 21). Es wäre absurd, dem deutschen Volke einen besonders kriegerischen Geist zuzusprechen ... wenn ein europäisches Volk diese Bezeichnung überhaupt verdient ... so ist es gewiß das französische. In Wahrheit jedoch ist keine moderne Nation kriegerisch gesinnt; der Geist unserer Zeit, der Charakter der modernen Wirtschaft wie die Eigenart des modernen Geistes ist allen kriegerischen Neigungen durchaus feind, ist so friedliebend, wie es selten eine Zeit gewesen ist. Also kriegerischer Geist bildet nicht den Sinn dessen, was die Wortführer Englands und Frankreichs Militarismus nennen. (N.G. a,a,O. S. 8) Hier sind wir nun schon dahin gelangt, wohin die Verkünder der Parole: Nieder mit dem Militarismus! hinzielen. Sie wollen mit ihrem Schlachtruf sagen, der Geist, der im Militär herrscht, sei spezifisch deutscher Geist. Wir haben in der Analyse der Grundelemente des militärischen Geistes erkannt, daß sie recht haben. Diejenige Idee, die diesen militärischen Geist vor allen anderen charakterisiert, ist der Gedanke der durch die allen Menschen gemeinsamen Pflichten begründeten Menschengleichheit; diese Idee ist aber eine spezifisch deutsche Idee. Nirgends hat der deutsche Geist reineren und erhabeneren Ausdruck gefunden als in der idealistischen Philosophie; nichts ist für die idealistische Philosophie wesentlicher und charakteristischer als ihre Ethik; keine Idee wichtiger als die der Pflicht, kein Gefühl ihrer Moral eigentümlicher als das der Würde. Beides aber: Pflichtidee und Würdegefühl sind die beiden höchsten Tugenden, die der militärische Geist kennt, sind die schönsten Eigenschaften, die den militärischen Menschen zieren. (N.G. a.a.O. S. 12)
"Judentum und Deutschtum haben beide prinzipiell dieselbe Lebensauffassung: ihnen beiden ist das Dasein vor allem und in erster Reihe eine Aufgabe, ein Beruf, eine Mission, ein Sollen, das es nicht so sehr zu beurteilen, zu bejahen oder zu verneinen, als vielmehr zu erfüllen gilt. Das Leben, wie es gegeben ist in seiner nackten Tatsächlichkeit, beherrscht von den eisernen Fesseln der Kausalität, ist nur das Material, aus dem nun der Mensch das wahre, reine, höhere Leben formen soll, nach eigenen Idealen, nach frei gewählten Zwecken, in autonomer sittlicher Freiheit. ... .... Diese tiefste Wesensparallelität bedingt noch eine andere; sie betrifft die Gestaltung des nationalen Gedankens, die Auffassung des nationalen Daseins.
Nachum Goldmann 1916
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